Veranstaltung: | Deli |
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Antragsteller*in: | Bundesvorstand (Bundesvorstand NAJU) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 25.08.2025, 13:41 |
A10: Positionspapier der NAJU zum Schutz der Alpen
Antragstext
Die Alpen sind neben dem Wattenmeer der größte zusammenhängende Naturraum
Europas, der verhältnismäßig unzerschnitten und gering beeinflusst ist. Obwohl
sie nur 2 % der Fläche des Kontinents bedecken, beherbergen sie rund 40 % der
Pflanzen- und Tierarten Europas [1]. Darunter sind viele an die
Standortbedingungen im Hochgebirge speziell angepasste Arten. Mindestens 450
Pflanzenarten und noch viel mehr Tierarten sind sogar (sub)endemisch, d. h. sie
kommen (fast) ausschließlich in den Alpen vor [2]. Zudem stellen die Alpen für
eine Reihe von ursprünglich auch in tieferen Lagen verbreiteten Tierarten (z. B.
Raufußhühner und Spechte, v. a. aber Arten mit großen Raumansprüchen wie Große
Beutegreifer und große Greifvögel) ein wichtiges Rückzugsgebiet dar [1, 3].
Obwohl die Alpen das am besten erforschte Gebirge der Erde sind, zeigen
Neuentdeckungen von Organismen in jüngerer Zeit, dass das Arteninventar noch
nicht vollständig bekannt ist, und unterstreichen die europaweite Bedeutung der
Alpen für die biologische Vielfalt [4]. Rund ein Drittel des deutschen Anteils
der Alpen steht in Form von sogenannten Natura-2000-Gebieten[1] unter
europarechtlichem Schutz. Die Zone „C“ des „Bayerischen Alpenplans“, ein seit
1972 gültiges landesplanerisches Instrument, umfasst etwa 43 % des deutschen
Alpenanteils und schützt somit zusätzliche 10 % Fläche vor Eingriffen durch u.
a. Bauvorhaben [5].
Die vielen verschiedenen natürlichen Ökosystemen sowie Landnutzungssysteme im
Alpenraum erbringen zahlreiche wertvolle Ökosystemleistungen, darunter die
Regulierung von Klima und Wasserhaushalt, die Bindung von Kohlendioxid in Böden,
Mooren und Wäldern, der Schutz vor alpinen Naturgefahren[2] und die
Bereitstellung von natürlichen Ressourcen wie Holz und hochwertigem Trinkwasser.
Was die Alpen jedoch zu einem der bekanntesten Gebirge der Welt macht, sind ihre
zugänglichen und ästhetisch reizvollen Natur- und Kulturlandschaften, die
einzigartige Naturerlebnisse ermöglichen und von hohem Wert für menschliche
Gesundheit, Wohlbefinden, Erholungs- und Freizeitnutzung sind – die Basis für
vielfältige Tourismusangebote. Aus den Ökosystemleistungen ziehen sowohl die
Gesellschaft allgemein als auch unterschiedliche wirtschaftliche Sektoren wie
Tourismus, Forst- und Landwirtschaft sowie Energie und Transport Nutzen, und das
nicht nur im Alpenraum und dessen Vorland, sondern auch in weit entfernten
Regionen in Europa [6].
Der hohen Bedeutung der Alpen für den Naturschutz und für die natürlichen
Ressourcenkreisläufe stehen vielfältige, durch menschliche Aktivitäten bedingte
Nutzungsansprüche, Belastungen und Bedrohungen gegenüber: Durch die
kontinuierliche Ausweitung von Verkehrswegen, Siedlungs- und Gewerbegebieten
sowie von großtechnischer Infrastruktur für Tourismus, Energieproduktion und -
transport und durch ungezügelten Verbrauch natürlicher Ressourcen gehen
naturbelassene Landschafts- und Naturräume zusehends und unwiederbringlich
verloren oder werden wesentlich beeinträchtigt. Folgende Zahlen und Fakten zur
Verdeutlichung:
- Die Bevölkerungszahl im Alpenraum hat sich seit 1900 von 8,5 Millionen auf
aktuell rund 14 Millionen vergrößert, dazu kommen jährlich rund 95
Millionen Mehrtagesgäste und 60 Millionen Tagesgäste für Erholung,
Freizeit und Sport hinzu [7]. Entsprechend ist seit vielen Jahren ein
unstillbarer Hunger nach bebaubarer Fläche zur Errichtung von Wohnraum,
Gewerbebauten, Infrastruktur- sowie Ver- und Entsorgungsanlagen
festzustellen [vgl. 8].
- Mindestens 3,5 % der Gebirgsfläche der Alpen sind in Wintersportgebiete
umgewandelt worden [9]. Der schneegebundene Tourismus bzw. Sport erzeugt
besonders große Eingriffe in und Belastungen für die Natur, u. a. durch
den Bau und die Präparierung von Pisten (Geländeanpassungen und
Beschneiung), sowie die Einrichtung der zugehörigen Infrastruktur (z. B.
Speicherteiche, Leitungen, Aufstiegshilfen sowie Lawinenschutz) [vgl. 10].
Obendrein verschlingt der Betrieb Unmengen an Ressourcen: Alpenweit sind
derzeit mehr als 80.000 Schneekanonen in Betrieb und beschneien knapp
100.000 Hektar Skipisten. Der jährliche Wasserverbrauch liegt bei rund 280
Millionen Kubikmetern, was der dreifachen Menge von München entspricht;
und der Stromverbrauch erreicht rund 2.100 Gigawattstunden, so viel wie
500.000 Haushalte jährlich verbrauchen [11]. Damit sind die Alpen das am
dichtesten erschlossene Gebirge der Welt, auf das mit jährlich rund 158
Mio. Skifahrtagen 45 Prozent des weltweiten Anteils am Skisport entfallen
[12].
- Der Wintermassentourismus hat darüber hinaus einen wesentlichen Anteil an
der Verkehrsproblematik: Denn eine Besonderheit der Alpenregion ist das
hohe Aufkommen im Freizeit- und Reiseverkehr, das in den Hauptferienzeiten
regelmäßig zu Verkehrsüberlastungen und Staus führt. Durchschnittlich 84
Prozent der Urlaubsreisen in die Alpen werden mit dem Auto unternommen
[13]. Obendrein kommt der alpenquerende Transitgüterverkehr auf der
Straße, dessen Transportaufkommen sich in den letzten Jahrzehnten
vervielfacht hat: Von knapp 15 Millionen Tonnen im Jahr 1980 stieg dieses
bis 2023 auf rund 158 Millionen Tonnen, welches sich auf mehr als 11
Millionen schwere Güterfahrzeuge verteilt [vgl. 14, 15].
- Tier- und Pflanzenarten in den Alpen sind jedoch nicht nur dem direkten
Verlust an Lebensraum, sondern auch den von menschlichen Nutzungsformen
(v. a. Freizeit und Sport) ausgehenden Stör- und Barrierewirkungen
ausgesetzt, die den nutzbaren Anteil des geeigneten Lebensraums zusätzlich
verringern und somit zu ihrer Verdrängung bis hin zu lokalem Aussterben
führen [vgl. 9, 16, 17, 18].
- Zu den großen Landschaftsveränderungen zählt außerdem, dass im letzten
Jahrhundert die meisten großen alpinen Flüsse eingedeicht und kanalisiert
worden sind und bis heute große Mengen Wasser abgeleitet werden. Alpenweit
sind 77 bzw. 42 % der Flüsse in ihrer Hydrologie bzw. Morphologie
beeinträchtigt, nur 14 % in einem hervorragenden ökologischen Zustand
[19].
- Schließlich zeigen sich die Auswirkungen der durch den Menschen
verursachten Erderwärmung in den Alpen viel stärker als in niedrigeren
Höhenlagen, etwa am rapiden Rückgang der Gletscher, dem Auftauen von
Permafrostboden und der Verkürzung der Schneebedeckungsdauer [20]. Die
vergleichsweise schnellen Veränderungen der Lebensräume und klimatischen
Bedingungen sowie die daraus resultierenden Veränderungen der
zwischenartlichen Konkurrenzverhältnisse setzen Arten unter Druck und
veranlassen diese zu vertikalen Ausbreitungs- bzw. Rückzugsbewegungen
[vgl. 21, 22]. Insbesondere für in der alpinen und nivalen Höhenstufe
lebende (teils endemische) Arten wird das Gefährdungs- und Aussterberisiko
durch den klimawandelbedingten Lebensraumverlust als besonders hoch
eingeschätzt [23]. Modellrechnungen zufolge könnten zwischen 19 und 55%
der alpinen, subalpinen und montanen Pflanzenarten bis 2100 mehr als 80 %
des derzeit für sie noch geeigneten Lebensraums verlieren [24].
In den Alpen zeigen sich allgemein gegenwärtige Trends in den Bereichen Verkehr,
Flächenverbrauch und Ressourcennutzung teilweise stärker als in den übrigen
Regionen Deutschlands; und aufgrund der hohen Sensibilität des Naturraums sind
deren negativen Wirkungen auf den Naturhaushalt umso schwerer wiegend. Aus
diesem Grund wird hiermit nicht nur auf die Forderungen der Positionspapiere zu
Mobilitätswende, Verkehrspolitik sowie Biologischer Vielfalt verwiesen, sondern
mit den folgenden Forderungen auch explizit die sektorspezifische Problemlage in
den Alpen aufgegriffen.
1.1. Die NAJU begrüßt die bisherigen Schritte und derzeitigen Bemühungen von
Politik und Verwaltung der Bundesrepublik Deutschland und vom Freistaat Bayern
rund um die Alpenkonvention und die Europäische Alpenstrategie (EUSALP),
insbesondere auch die eingeführten Formate zur Beteiligung junger Menschen [25].
Zugleich erwartet die NAJU von den politischen Entscheidungsträger*innen in
allen Gebietsebenen, dass sie bestehende gesetzliche Instrumente zum Schutz der
Alpen – v. a. den bayerischen Alpenplan in seiner ursprünglichen Fassung [26] –
ausnahmslos beachten und erhalten und sich für die Umsetzung sowie
Weiterentwicklung und Stärkung der Alpenkonvention und der EUSALP einsetzen
[27]. Die Ziele der Alpenkonvention und die ihrer Protokolle und Erklärungen
[28, 29, 30] sind entsprechend vollständig in nationale Pläne und Programme zu
übernehmen und zu konkretisieren [vgl. 3].
1.2. Die derzeitige Gebietskulisse zum Schutz von Lebensräumen und Arten deckt
die aus Naturschutzsicht schutzwürdigen Teile der Alpen nicht vollständig ab
[31]; daher sind im deutschen Anteil des Perimeters der Alpenkonvention
zusätzliche Natura-2000-Gebiete und Naturschutzgebiete, mindestens ein strenges
Naturreservat (IUCN-Kategorie Ia) oder Wildnisgebiet (IUCN-Kategorie Ib) sowie
mindestens ein weiterer Alpen-Nationalpark und ein Biosphärengebiet auszuweisen
(auch unter Berücksichtigung von infolge des Klimawandels stattfindenden bzw. zu
erwartenden Arealverschiebungen von Arten) und zudem wichtige Wanderachsen
zwischen Schutzgebieten bzw. für den Biotopverbund geeignete Flächen unter
Schutz zu stellen, eigentumsrechtlich zu sichern und ggf. zu renaturieren [vgl.
3, 21, 22, 23, 31, 32]. Letzteres ist vor allem für die verbliebenen und
ehemaligen Wildflusslandschaften sowie alpinen Moore anzustreben. Die
Kernlebensräume störungsempfindlicher Tierarten (v. a. Haarwild, Greifvögel und
Raufußhühner) sind als Ruhezonen mit entsprechenden gesetzlichen Regelungen und
Sanktionsmöglichkeiten für Verstöße auszuweisen [vgl. 33].
1.3. Durch den bisherigen und weiter stattfindenden Strukturwandel in der
Landwirtschaft kommt es zum Rückzug der Grünlandnutzung in „Ungunstlagen“
(ertragsarme, steile und / oder hoch gelegene Standorte), während die Nutzung in
alpinen „Gunstlagen“ (ertragreiche Standorte) tendenziell intensiviert wird [9].
Beides führt zum Verlust naturschutzfachlich wertvoller Lebensräume der offenen
Kulturlandschaft und ihrer daran gebundenen Flora und Fauna. Daher kommt der
finanziellen Förderung der Berglandwirtschaft nach naturschutzfachlichen
Kriterien, insbesondere der Almbewirtschaftung, inklusive aktiver Behirtung und
Weideführung, eine wichtige Bedeutung zu [vgl. 4 und 29: Protokolle
„Berglandwirtschaft“ sowie „Naturschutz und Landschaftspflege“ der
Alpenkonvention]. Es gilt daher, einen möglichst großen Anteil der zahlreichen
zugewachsenen Almen wieder beweidbar zu machen und ihre Offenhaltung dauerhaft
zu sichern und außerdem überall, wo es aus naturschutzfachlicher Sicht sinnvoll
ist und Schutzfunktionen des Waldes nicht beeinträchtigt werden, die bedrohte
Nutzungsform Waldweide zu stärken [vgl. 34, 35].
1.4.1. Die Wissenslücken über die biologische Ausstattung sind durch
entsprechende Kartierungen zu schließen und der Zustand der biologischen
Vielfalt in einem mehrjährigen Intervall regelmäßig zu erfassen. Zudem ist es
wichtig, die Auswirkungen von verschiedenen Arten der Freizeitnutzung und des
Sports (insbesondere neu aufgekommene Trends) sowie des Klimawandels auf
sensible Arten detailliert zu untersuchen, um auf solider Datengrundlage
Schutzmaßnahmen ableiten zu können [vgl. 18, 23, 29: Protokoll „Naturschutz und
Landschaftspflege“ der Alpenkonvention; 33].
1.4.3. Dem stark gestiegenen und weiter steigenden Nutzungsdruck für Freizeit,
Sport und Erholung (an Land, auf Gewässern und in der Luft) muss mit
Lenkungskonzepten bzw. Nutzungsvereinbarungen sowie personellem Ausbau,
Entfristung und Verstärkung der Schutzgebietsbetreuung / Ranger*innen begegnet
werden [vgl. 3, 18, 33, 36]. Wo es die Sensibilität der zu schützenden
Lebensräume und Arten erfordert, sind bestimmte Nutzungsformen auch per
Verordnung zeitlich und räumlich rechtlich wirksam einzuschränken oder komplett
zu verbieten [vgl. 29: Protokoll „Tourismus“ der Alpenkonvention; 33].
Insbesondere in sensiblen Gebieten, in denen die Tragekapazität durch den
Andrang der Besucher*innen mehrfach im Jahr ausgereizt oder überschritten wird
und sanfte Lenkungskonzepte (Wegbegrenzung, Hinweisschilder, persönliche
Aufklärung und Sensibilisierung durch Gebietsbetreuung, „Nudging“ etc.)
mehrheitlich ignoriert und willentlich missachtet werden, müssen zusätzlich
konsequente und wirksame Gegenmaßnahmen (z. B. Beschränkung der Personenanzahl
pro Zeiteinheit oder monetäre Zugangshürden, Kameraüberwachung) ergriffen
werden, um nachhaltige Störungen, Beeinträchtigungen und Zerstörungen der
Schutzgüter zu unterbinden [vgl. 37, 38, 39, 40, 41]. Vor allem derartig schwere
Fälle verdeutlichen die Notwendigkeit, die Vollzugsdefizite im hoheitlichen
Naturschutz zügig zu beheben: In solchen übernutzten sensiblen Gebieten sind
Verstöße gegen Schutzgebietsverordnungen sowie das allgemeine Naturschutz-,
Artenschutz-, Tierschutz-, Jagd- und Umweltschadensrecht konsequent und
ausnahmslos polizeilich und gerichtlich zu verfolgen, wofür entsprechende
spezielle hauptamtliche Stellen sowie Einheiten / Strukturen zu schaffen sind.
Zur Erhöhung der Abschreckungswirkung sind die Bußgeldsätze und Strafmaße
entsprechend deutlich anzuheben.
2.1. Die alpine Raumplanung muss einem Gesamtkonzept auf wissenschaftlichen,
objektiven Grundsätzen folgen (vgl. Europäische Alpenstrategie). Dabei müssen
Naturschutzinteressen an erster Stelle berücksichtigt werden und sind im Rahmen
von Abwägungen hoch zu gewichten, denn die alpine Naturlandschaft ist weder
kompensierbar noch erneuerbar [vgl. 9]. Die vielfach bestehenden Defizite bei
der Überwachung naturschutzfachlicher Auflagen in Genehmigungsbescheiden
einzelner Projekte und Maßnahmen sind durch entsprechende Ressourcen in den
zuständigen Behörden (Personalstärke und Fachkompetenz) zu beheben [vgl. 3, 33].
2.2. Nutzbarer Boden in den Alpen ist, bedingt durch die Topografie, mehr noch
als in den tieferen Lagen ein kostbares Gut. Flächenverbrauch bzw.
Bodenversieglung sind daher sowohl auf lokaler als auch auf regionaler Ebene
durch rechtlich verankerte quantitative Vorgaben zu begrenzen sowie auch durch
eine Priorisierung der Nutzungen nach qualitativen Aspekten („Bodenfunktionen“)
räumlich zu steuern und zu minimieren. Die Umsetzung Flächen sparender Ansätze
ist durch Anreize bzw. bessere rechtliche Rahmenbedingungen zu fördern [vgl. 29:
Protokoll „Bodenschutz“ der Alpenkonvention; 42, 43].
2.3. Die Errichtung von Wasserkraft- und Pumpspeicherkraftanlagen im Alpenraum
ist vom überwiegenden öffentlichen Interesse auszunehmen. Die letzten
verbliebenen Abschnitte von alpinen Wildflüssen sind unbedingt zu erhalten und
vor Beeinträchtigungen durch Wasserkraftwerke und Ausleitungen für sonstige
Zwecke zu bewahren bzw. zu renaturieren. Bei Ausleitungskraftwerken muss so viel
Wasser im Fluss verbleiben, dass der gute ökologische Zustand des Gewässers
erhalten oder erreicht wird. Neue Pumpspeicherkraftwerke in den Alpen sollten
nur dort zulässig sein, wo bestehenden Stauseen genutzt werden können.
Querungsbauwerke und andere Barrieren der Gewässerdurchgängigkeit, die keinen
Zweck mehr erfüllen, sind rückzubauen. Kleinwasserkraftwerke mit einer Leistung
von weniger als 10 MW, deren Konzession[3] ausläuft, sollten ebenfalls
großenteils zurückgebaut werden und nur noch in abgelegenen Lagen zur Deckung
des lokalen Energiebedarfs verbleiben, wo sonst kein Netzanschluss oder auf
keine andere Art Energieerzeugung möglich ist [vgl. 44, 45].
2.4. Zum Schutz vor alpinen Naturgefahren sind nach Möglichkeit naturbasierte
Lösungen technischen Lösungen vorzuziehen. Um steigenden Risiken durch
Massenbewegungen und Lawinen vorzubeugen, sollten die in den Waldfunktionsplänen
als Boden- und Lawinenschutzwald ausgewiesenen Bereiche vollständig in die Zone
C des „Bayerischen Alpenplans“ aufgenommen werden [vgl. 5].
3.1. Das Kapital des Tourismus in den Alpen ist die intakte und unzerschnittene
Natur- und Kulturlandschaft. Der klimabedingte Anstieg der Schneefallgrenze und
die verminderte Schneesicherheit dürfen nicht dazu führen, dass weitere
Gletscher und noch unberührte Landschaftskammern mit neuen Wintersportgebieten
erschlossen und für den Tourismus intensiv genutzt werden.
3.2. Die NAJU fordert vielmehr, Förderprogramme für Gemeinden und Regionen
überwiegend anhand von Kriterien für – vor allem im ökologischen Sinne –
nachhaltigen und sanften Tourismus umzugestalten und umweltschädliche
Subventionen, z. B. für Skilifte und die Pisten-Beschneiung einzustellen [vgl.
11]. Überwiegend auf schneegebundenen Wintertourismus ausgerichtete Gemeinden,
in denen der Weiterbetrieb der Wintersport-Infrastruktur ohne Subventionen und
ohne Pistenbeschneiung im Zuge der Klimaerwärmung unrentabel ist oder dies
absehbar wird, sind bei der Transformation zu sanften, Natur schonenden
Tourismusangeboten (z. B. als zertifiziertes Bergsteigerdorf oder Mitglied im
Netzwerk „Alpine Pearls“) zu unterstützen [vgl. 46]. Stillgelegte touristische
Infrastrukturen sind zurückzubauen und zu entsiegeln, wo eine Umnutzung nicht
möglich oder erwünscht ist [vgl. 9 und 29: Protokoll „Tourismus“ der
Alpenkonvention].
3.3. Die Alpen sind ein sensibler Natur- und Kulturraum, der durch
Sportgroßveranstaltungen wie die Olympischen Winterspiele mit ihren hohen
Anforderungen an Verkehrsinfrastruktur, Sportanlagen sowie Transport- und
Beherbergungskapazität und den damit verbundenen gigantischen Eingriffen in
Landschaft und natürliche Ressourcen erheblichen Schaden nehmen würde [vgl. 11,
47, 48]. Gemeinden und Regionen der Alpen sollten daher darauf verzichten, sich
zukünftig für Olympische Winterspiele zu bewerben.
4.1. Um den Trend der zunehmenden Belastung durch den motorisierten
Individualverkehr und Gütertransport in den Alpen zu stoppen und besser noch
umzukehren, ist eine konsequente Mobilitätswende dringend erforderlich: Konzepte
bzw. rechtliche bindende Abkommen zur Reduktion und Verlagerung auf
umweltverträgliche Verkehrsträger sowie zur Dekarbonisierung [15 und 29:
Protokoll „Verkehr“ der Alpenkonvention] sind umzusetzen und weiterzuentwickeln
und Fachplanungen (z. B. der Bundesverkehrswegeplan) nach diesen auszurichten.
4.2. Infrastruktur und Transportangebot des Öffentlichen Personennahverkehrs und
-fernverkehrs sowie Ausstattung und Beförderungskapazität der Fahrzeuge sind
auszubauen bzw. zu verbessern und besser sowohl an die Bedürfnisse der
einheimischen Bevölkerung als auch der Gäste anzupassen. Wo ein Ausbau nicht
zielführend ist, sollen bedarfsgerechte „On-Demand“-Beförderungsmodelle wie
Rufbusse angeboten werden.
5.1. Um die Treibhausgasemissionen im Alpenraum entsprechend den rechtlich
verbindlichen Reduktionszielen bis 2050 zu verringern, sind in allen Sektoren
Maßnahmen zur Energieeinsparung und Transformation hin zur Klimaneutralität
erforderlich [vgl. 49], wobei diese jedoch nicht gegen Ziele des Naturschutzes
ausgespielt werden dürfen (siehe Nr. 1 und 2). Um unerwünschte Auswirkungen auf
empfindliche Alpenlandschaften und deren biologische Vielfalt zu vermeiden, sind
somit eine gute Abstimmung und eine sorgfältige Abwägung von Zielkonflikten
erforderlich [vgl. 50].
[1] Generaldirektion Umwelt der Europäische Kommission (2010): Natura 2000 in
der alpinen Region. Herausgegeben vom Amt für Veröffentlichungen der
Europäischen Gemeinschaften, Luxemburg, 16 S. URL:
https://op.europa.eu/de/publication-detail/-/publication/9a738f76-c937-478d-
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[3] Wessely, H. & Güthler, A. (2015): Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und
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naturschutz.de/fileadmin/Bilder_und_Dokumente/Themen/Alpen/BN_Forschung_Alpenpol-
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[6] Marzelli, S., Riedel, M., Savaşçı, G., Neumann, C. & Szücs, L. (2018):
Ökosystemleistungen – Ein Konzept für den Alpenraum. Studie im Rahmen des
INTERREG-Projekts „Alpine Space – AlpES“. München, 51 S. URL:
https://www.alpine-space.eu/wpcontent/uploads/2022/09/Alpine_ecosystem_services_-
concept.zip [letzter Aufruf am 17.08.2025].
[11] Hamberger, S. & Doering, A. (2015): Der gekaufte Winter – Eine Bilanz der
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forschung.de/veroeffentlichungen/paper/dergekaufte-winter/ [letzter Aufruf am
17.08.2025].
[12] Roth, R., Schiefer, D., Siller, H. J., Beyer, J., Fehringer, A., Bosio, B.,
Pechlaner, H., Volgger, M. & Erschbamer, G. (2016): The future of winter
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[13] Abegg, B. (2011): Tourismus im Klimawandel: Ein Hintergrundbericht der
CIPRA. CIPRA compact No. 08/2011. Schaan, 32 S. URL:
https://www.cipra.org/de/publikationen/4606 [letzter Aufruf am 17.08.2025].
[15] Generaldirektion Mobilität und Verkehr (GD MOVE) der Europäischen
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analyse des flux de transports de marchandises transalpins. Rapport annuel 2023.
77 S. + Anhang. URL:
https://www.bav.admin.ch/dam/bav/de/dokumente/themen/verlagerung/alpenobservator-
ium-2023.pdf.download.pdf/RA_2023_V2_0.pdf [letzter Aufruf am 17.08.2025].
[20] Task Force Schutzgebiete des Ständigen Sekretariats der Alpenkonvention
(Hrsg., 2007): Die Alpen unter Druck. Vorbeugung und Anpassung der alpinen
Schutzgebiete an den Klimawandel. Chambery, 12 S. URL:
https://www.alparc.org/alpineresources/brochureclimatde [letzter Aufruf am
17.08.2025].
[23] Streitberger, M., Ackermann, W., Fartmann, T., Kriegel, G., Ruff, A.,
Balzer, S., & Nehring, S. (2017): Eckpunkte eines Handlungskonzepts für den
Artenschutz in Deutschland unter Klimawandel: Zusammenfassung der Ergebnisse aus
dem F+ E-Vorhaben „Strategie und Handlungskonzept für den Artenschutz in
Deutschland unter Klimawandel“ (FKZ 3513 86 0800). BfN-Skripten 466: 1 – 71.
[24] Engler, R., Randin, C., Thuiller, W., Dullinger, S., Zimmermann, N.,
Araújo, M.B., Pearman, P., Le Lay, G., Piedallu, C., Albert, C., Choler, P.,
Coldea, G., De Lamo, X., Dirnböck, T., Gégout, J.-C., Gómez-García, D., Grytnes,
J.-A., Heegaard, E., Høistad, F., Nogués-Bravo, D., Normand, S., Puşcaş, M.,
Sebastià, M.-T., Stanisci, A., Theurillat, J.-P., Trivedi, M., Vittoz, P. &
Guisan, A. (2011): 21st century climate change threatens mountain flora
unequally across Europe. Global Change Biology 17 (7): 2330 – 2341.
[25] Jugendbeteiligung an der Europäische Strategie für den Alpenraum. URL:
https://alpineregion.eu/alpine-youth/the-journey [letzter Aufruf am 17.08.2025].
[27] COM/2015/0366 final: Mitteilung der Kommission an das Europäische
Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den
Ausschuss der Regionen zu einer Strategie der Europäischen Union für den
Alpenraum vom 28.07.2015. URL: https://eur-lex.europa.eu/legal-
content/DE/ALL/?uri=CELEX:52015DC0366 [letzter Aufruf am 17.08.2025].
[29] Gesetz zu den Protokollen zum Übereinkommen vom 7. November 1991 zum Schutz
der Alpen (Alpenkonvention) vom 16. August 2002, BGBl. 2002, Teil II, Nr. 30:
1785 – 1864, in Kraft getreten am 18.12.2002. Protokolle zur Durchführung der
Alpenkonvention von 1991 in den Bereichen − Raumplanung und nachhaltige
Entwicklung − Naturschutz und Landschaftspflege − Berglandwirtschaft − Bergwald
− Tourismus − Energie − Bodenschutz − Verkehr.
[30] Ständiges Sekretariat der Alpenkonvention (2018): Alpenkonvention –
Textsammlung. Alpensignale – Serie 1, Innsbruck, 192 S. URL:
https://www.alpconv.org/fileadmin/user_upload/Publications/AS/AS1_v3_DE.pdf
[letzter Aufruf am 17.08.2025].
[32] Rosenthal, G., Mengel, A., Reif, A., Opitz, S., Schoof, N., Reppin, N. &
Gärtner, S. (2015): Umsetzung des 2-%-Ziels für Wildnisgebiete aus der
Nationalen Biodiversitätsstrategie: Abschlussbericht des gleichnamigen F+ E-
Vorhabens (FKZ 3512 85 0300 unter Integration von Zusatzauswertungen, FKZ 3515
85 0900). BfN-Skripten 422: 1 – 207. Bundesamt für Naturschutz, Bonn-Bad
Godesberg.
[37] Hutter, L. (2020): Naturpark Ammergauer Alpen wehrt sich gegen Wildcamper –
„Es bleibt nichts anderes übrig“. Online-Bericht vom 29. Juni 2020. URL:
https://www.merkur.de/lokales/garmisch-partenkirchen/oberammergau-
ort29187/ammertal-naturpark-ammergauer-alpen-camping-wandern-berg-instagram-
natur-13812668.html [letzter Aufruf am 17.08.2025]. 13
[38] Welte, J. & Neumann, M. (2020): Königssee: Traumkulisse als Müllkippe –
Zugang zu Instagram-Hotspot soll gesperrt werden – es gab bereits Todesfälle.
Online-Bericht vom 7. Juni 2020, aktualisiert am 28. Juli 2020 und am 8.
September 2020. URL: https://www.merkur.de/bayern/koenigssee-instagram-hotspot-
wasserfall-influencer-foto-nationalpark-berchtesgaden-bayern-zr-13790172.html
[letzter Aufruf am 17.08.2025].
[39] Masengarb, C. (2020): Am Spitzingsee: Mountainbiker rastet aus – er
verprügelt Naturschutz-Beauftragten. Online-Bericht vom 2. Juli 2020. URL:
https://www.merkur.de/lokales/region-miesbach/schliersee-ort29415/mountainbiker-
spitzingsee-rotwandgebirge-ausfluegler-naturschutz-bayern-polizei-pruegel-
13816597.html [letzter Aufruf am 17.08.2025].
[40] Hank, S. (2020): Alpen-Touristen sorgen für Ärger: Lage droht zu eskalieren
– Ranger sollen jetzt hart durchgreifen. Online-Bericht vom 26.10.2020. URL:
https://www.merkur.de/lokales/region-miesbach/miesbach-ort29062/schliersee-
tegernsee-alpen-tourismus-eskalation-kontrolle-ranger-aerger-90077745.html
[letzter Aufruf am 17.08.2025].
[41] Bohrer-Glas, D.; Parschan, A. & Rehm, G. (2023): Sommer in den Bergen –
Mangfallgebirge unter Druck. Reportage von BR24live am 29.06.2023 um 11:00 Uhr.
URL: https://www.br.de/nachrichten/bayern/br24live-11-uhr-wandern-im-sommer-
mangfallgebirgeunter-druck,TiGpIPL [letzter Aufruf am 17.08.2025].
[42] Ständiges Sekretariat der Alpenkonvention (2020): Vertiefte Prüfung des
Überprüfungsausschusses der Alpenkonvention zum Thema „Flächensparende
Bodennutzung“. Innsbruck, 19 S. URL: https://www.alpconv.org/de/startseite/news-
publikationen/publikationen-multimedia/detail/vertiefte-pruefung-des-
ueberpruefungsausschusses-der-alpenkonvention-zum-thema-flaechensparende-
bodennutzung/ [letzter Aufruf am 17.08.2025].
[43] CIPRA International (Hrsg., 2022): Flächen sparen, Boden retten: Was
brauchen wir für eine Trendwende im Umgang mit stadtnahen Gebieten? Schaan, 43
S. URL: https://www.ifuplan.de/aktuelles-neue-broschuere-zum-eureni-projekt-
flaechen-sparen-
veroeffentlicht/images/ifuplan/referenzen/Eureni_de_Flaechensparen.pdf [letzter
Aufruf am 17.08.2025].
[44] Witty, S. (2013): Naturverträgliche Umsetzung der Energiewende in den
bayerischen Alpen. Ein Positionspapier der deutschen Vertretung der
Internationalen Alpenschutzkommission e. V. (CIPRA Deutschland). Eching am
Ammersee, 20 S. URL:
https://www.cipra.org/de/positionen/119/dateien/1149_de/download?inline=true
[letzter Aufruf am 17.08.2025].
[45] CIPRA International (Hrsg., 2021): Wasserläufe und Wasserkraft im Alpenraum
– CIPRAPosition zur Nutzung der Alpenflüsse für die Wasserkraft. Schaan, 33 S.
URL: https://www.cipra.org/de/positionen/wasserkraft-im-alpenraum/pdf/position-
wasserkraft-cipraint-de-2021-korr.pdf [letzter Aufruf am 17.08.2025].
[46] Ständiges Sekretariat der Alpenkonvention (2013): Nachhaltiger Tourismus in
den Alpen. Alpensignale – Serie 4, Innsbruck, 145 S. URL:
https://www.alpconv.org/de/startseite/news-publikationen/publikationen-
multimedia/detail/4-alpenzustandsbericht-nachhaltiger-tourismus-in-den-alpen/
[letzter Aufruf am 17.08.2025].
[50] Ständiges Sekretariat der Alpenkonvention (Hrsg., 2022): MAP – Das
mehrjährige Arbeitsprogramm der Alpenkonferenz 2023 – 2030. Innsbruck, 12 S.
URL: https://www.alpconv.org/de/startseite/konvention/mehrjaehriges-
arbeitsprogramm/ [letzter Aufruf am 17.08.2025].
[1] „Natura 2000“ bezeichnet ein Netzwerk von Schutzgebieten innerhalb der
Europäischen Union, das seit 1992 nach den Maßgaben der Fauna-Flora-Habitat-
Richtlinie und der Vogelschutzrichtlinie eingerichtet worden ist.
[2] Dazu zählen u. a. Lawinen, Hochwasser in Wildbächen, Muren, Schuttströme,
Rutschungen, Steinschlag und Felsstürze.
[3] Bezeichnet hier eine auf eine bestimmte zeitliche Dauer beschränkte
wasserrechtliche Zulassung zur Wasserkraftnutzung.
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